Rückblick auf den 1. Software Quality Talk powered by ATB, GTB und STB
Am diesjährigen Swiss Testing Day feierte der erste “Software Quality Talk” seine Premiere. Im Zentrum: Die Frage, wie sich Softwarequalität als kritischer Erfolgsfaktor einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft positioniert.
Unter der Moderation unseres ATB-Mitglieds Richie Seidl diskutierten drei Gäste aus Forschung, Wirtschaft und Politik: Prof. Dr. Ina Schieferdecker (TU Berlin), Wolfgang Platz (Gründer von Tricentis) und Ruedi Noser (Unternehmer und Politiker). Eines war schnell klar: Softwarequalität ist kein Randthema, sondern ein zentraler Bestandteil technischer Entwicklung mit weitreichender gesellschaftlicher Wirkung.
Sichtbar machen, was oft unsichtbar bleibt
Software prägt längst sämtliche Bereiche unseres Lebens: industrielle Steuerungssysteme, intelligente Fahrzeuge, KI-getriebene Kommunikation, medizinische Geräte oder alltägliche Apps. “Wir erleben einen fulminanten Wandel, wie Gesellschaft funktioniert”, so Ina Schieferdecker. Dabei werde Softwarequalität häufig unterschätzt oder zu eng definiert. Sie plädiert dafür, nicht nur auf “Softwarequalität im engeren Sinne” zu schauen, sondern auf den Beitrag von “Qualitäts-Software-basierten Systemen”, die hochgradige Automatisierung und neue Prozesse ermöglichen – Stichwort Hyperautomatisierung.
Wolfgang Platz erläuterte die gesellschaftliche Dimension: “Software ist so invasiv geworden, dass sie teilweise süchtig macht.” Das beobachte man besonders bei Kindern – und auch bei der rapiden Verbreitung von KI in Schulen und Alltag. Softwarequalität dürfe daher keine zweite Geige spielen, sondern müsse auch Ethik, Transparenz und Verantwortung mittragen.
Aus Ruedi Nosers Perspektive ist Qualität vor allem subjektiv und oft nicht messbar. Die mangelnden regulatorischen Leitplanken für Softwareentwicklung sieht er dabei ambivalent: “Bei Pasta kommt sofort die Lebensmittelkontrolle, doch um Software-Qualität kümmert sich niemand.” Er fordert deshalb ein feines Gleichgewicht zwischen Regulierung und Innovationsfreiheit.
Zwischen Regulierung, Standards und Eigenverantwortung
Ein zentrales Thema der Diskussion war die Rolle der Politik. Sollen Gesetze für mehr Qualität sorgen? Noser warnt: “Die Politik versteht oft zu wenig von der Materie.” Statt überhasteter Gesetzgebung schlägt er Standards vor, die sich in der Praxis bewähren – wie in anderen Industrien auch. Auch Wolfgang Platz teilt diese Skepsis gegenüber staatlicher Regulierung, fordert aber klare Minimalanforderungen, insbesondere was Sicherheit und Datenschutz betrifft: “Im Unsichtbaren darf nichts passieren, was Menschen schadet.”
Schieferdecker sieht Fortschritte etwa in Europa durch Verbesserungen bei Softwarehaftung oder offenen Schnittstellen. Sie betonte jedoch, dass Regeln kein Widerspruch zu Innovation seien: “Eine Unterregulierung kann genauso schädlich sein wie Überregulierung.” Entscheidend sei, dass EntscheiderInnen genug Fachkompetenz mitbringen, um kluge Rahmenbedingungen zu setzen.
Testkultur heute: proaktiv statt reaktiv
Ein weiteres spannendes Thema: Wie entstehen Fehler in Software – und wie können wir sie verhindern? Platz sprach offen: Tests würden in vielen Unternehmen nach wie vor vernachlässigt oder als Reaktion auf schwerwiegende Probleme nachgeholt. Dabei sei präventives Handeln entscheidend: “Ich hab nie jemanden davon überzeugt, in Softwarequalität zu investieren. Es war immer ein Schmerz da.” Frühzeitige Qualitätsarbeit könne stattdessen Kosten sparen, Kunden halten und nachhaltigen Erfolg sichern.
Ruedi Noser betonte, dass Qualität nicht durch Testen allein entsteht. “Wir müssen beginnen, Software mit Maschinenbauer-Mentalität zu denken.” Qualität beginne bei sauberer Entwicklung, Standards und Berufsethos. Besonders kritisch sieht Noser die Fragmentierung des Marktes: “Im einen Bereich wird Qualität gelebt, im anderen regiert nur der Preis.”
Schieferdecker rät, Test-ExpertInnen in alle frühen Phasen der Softwareentwicklung einzubinden. Nur wer von Anfang an mitgestaltet, kann Projekte nachhaltig positiv beeinflussen. Dazu gehört auch die Professionalisierung: “Wir brauchen fundierte Aus- und Weiterbildung sowie den Dialog in Communities – genau wie bei diesem Talk!”
Zukunft der Softwarequalität: KI und Systemdenken
Was erwartet uns in den kommenden Jahren? Deutlich wurde: Die großen Herausforderungen liegen in der zunehmenden Komplexität von Systemen einerseits und der Integration von Künstlicher Intelligenz andererseits. Wolfgang Platz sieht in GenAI eine riesige Chance – auch im Testing: “Ich bin beeindruckt, was im Testcase-Design mit KI bereits heute möglich ist.”
Ruedi Noser bleibt pragmatisch: “Je schlechter Software funktioniert, desto mehr hängt davon ab – zum Beispiel, ob Züge fahren oder Strom fließt.” Gerade in sicherheitskritischen Bereichen sei höchste Qualität alternativlos – und schwer erreichbar bei exponentiell wachsender Systemkomplexität.
Ina Schieferdecker warnte davor, KI als Allheilmittel zu sehen. Sie sei ein unterstützendes Tool, aber brauche fachliche Expertise: “Software darf nicht von jedem gebaut werden – sondern nur von ExpertInnen.” Dementsprechend fordert sie mehr Investitionen in systematisches Software-Engineering sowie eine stärkere Verankerung von Softwarefabrikation in Europa.
Ethos, Expertise und Effizienz
Trotz unterschiedlicher Schwerpunkte waren sich die Panelgäste einig: Qualität beginnt bei den Menschen. Berufsstolz, ein klares Ethos und geschulte Fachkompetenz sind das Fundament. Aber auch wirtschaftliche Ziele dürfen nicht vergessen werden. Platz fasst zusammen: “Qualität ist kein Luxus – es ist eine Notwendigkeit. Wer sie ignoriert, verliert.”
Wir freuen uns über das große Interesse am ersten Software Quality Talk und bedanken uns an dieser Stelle bei den Gästen für die inspirierende und zugleich kritische Diskussion. Gerade in Zeiten von KI-Hype, Fachkräftemangel und wachsender Abhängigkeit von Software brauchen wir den Dialog über Qualität mehr denn je. Let’s make the invisible visible!
Eine Aufzeichnung der Veranstaltung finden Sie unter Software Quality Talk 2025


Der Beitrag Der 1. Software Quality Talk am Swiss Testing Day erschien zuerst auf Austrian Testing Board.
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